Das „Rote Schloss“

In den Wahlrechtskämpfen vor dem Ersten Weltkrieg erstarkte die Braunschweiger Sozialdemokratie. Fast 50 Prozent der Stimmen hatte die SPD bei den Landtagswahlen 1912 erzielt; aber das Dreiklassenwahlrecht verhinderte, dass die stärkste Partei parlamentarisch wirksam werden konnte. 1913 baute sich die Braunschweiger Arbeiterbewegung das Volksfreundehaus, das bald den Namen „Rotes Schloss“ erhielt. Das Rote Schloss, trotzig dem herzoglichen Schloss gegenübergestellt, demonstrierte Gegenmacht.

Blick von der „Schloss-Arkaden“-Baustelle auf den Ackerhof. Rechts das Rizzi-Haus, im Hintergrund das Gebäude Schloßstr. 8, das ehemalige „Rote Schloss“.

Revolutionäre vor dem Schloss

Ein Fotograph hat die Hauptakteure der Novemberrevolution in Braunschweig festgehalten. Vier Zivilisten und zwei bewaffnete Soldaten, die Delegation des Arbeiter- und Soldatenrates, stehen auf der Außentreppe des Schlosses. Sie haben den Herzog Ernst August zur Abdankung gezwungen. Es ist kein Bild des Triumphes. Von dem Schloss selbst kann man kaum etwas erkennen.

„...ich konnte mir nicht helfen, ich musste lachen, als ich sah, dass der kleine, gute, krumme August [Merges], der in seinem Leben noch keine Fliege getötet, sich einen großen Revolver in einem schwarzen Futteral umgeschnallt hatte. Er nahm im Namen der Diktatur des Proletariats Besitz von dem roten Schloss und der „Volksfreund“-Druckerei, d.h. von dem der alten Sozialdemokratischen Partei gerichtlich zuerkannten Eigentum. Nachdem das rote Schloss erobert, zog die Revolution unter Führung der paar Soldaten mit der roten Fahne vor das andere Schloss ...“ (Volksfreund-Redakteur Richard Wagner)

Nach dem ersten Revolutionsenthusiasmus – die rote Fahne wird auf dem Schloss gehisst, die Schloßwache von den Revolutionären übernommen – wissen weder radikale noch gemäßigte Sozialdemokraten viel mit dem Schloss anzufangen. Es wird nicht in Besitz genommen. Ein bisschen Staatsministerium, ein bisschen Theater und Museum, so sah die Nutzung des Schlosses in der Weimarer Zeit aus. Arbeitermacht symbolisierte sich weiterhin im Roten Schloss und auf den traditionellen Kundgebungsplätzen.

zurück